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Protronic steuert die Zukunft an


    Interview mit Thomas Wegner
    für die INSIGHT (Stöbich) 2024

    Was verbirgt sich hinter der Unternehmensbezeichnung „Protronic Innovative Steuerungselektronik GmbH“? Olaf Grunenberg-Thiele ging dieser und anderen Fragen im Interview mit Thomas Wegner, dem Geschäftsführer der
    Protronic, auf den Grund.

    Ihr Unternehmen ist Mitglied der STÖBICH Gruppe und die Unternehmensbezeichnung verrät ja schon, dass es bei Ihnen um das Thema Steuerungselektronik geht. Was macht Protronic genau?
    T. W.: Die Protronic macht alles das, was Elektronik und Elektrotechnik anbetrifft; für die Firma STÖBICH und natürlich auch für einige andere Firmen. Ich habe damals eine der ersten, schon etwas kompakteren Steuerungen für STÖBICH entwickelt. Wir entwickeln auch heute noch die Steuerungstechnik, und inzwischen produzieren wir sie auch: Das heißt also alle RZs wie RZ3 und RZ7 [RZ = Rauchschutzzentrale, Anm. d. Red.] sowie auch die Motorsteuerung AMS, AME und AMU. Wir entwickeln und produzieren auch die Notstromerzeuger, also DC/DC Wandler, konstruieren den größten Teil der Notstromanlagen und lassen diese extern produzieren. Die ersten Notstromanlagen mit Frequenzumrichtern sind damals noch mit mehreren großen Batteriesätzen von uns entwickelt und produziert worden. Zuvor gab es die Partnerfirma Fest in der Nähe bei Goslar, die die Einschübe produziert hat, was wir im Großen und Ganzen alles übernommen haben. Inzwischen werden bei uns auch
    die Schaltpläne für eben diese Notstromanlagen durchzwei Schaltplankonstrukteure gemacht. Wir haben also
    von der Ideenfindung bis hin zur Qualitätssicherung und Bestückung (per Bestückungsautomat und Handbestückung) alles hier im Haus.

    Also sorgt die Steuerungselektronik dafür, dass unsere ganzen Vorhänge, Tore und Förderanlagenabschüssen auf- und zufahren, bei Stromausfall auch mit dem sogenannten Notstrom oder Ersatzstrom? Für diesen Schließvorgang im Notfall, wenn das System nicht automatisch schließen kann, brauchen wir Strom?
    T. W.: Wir nennen es lieber Ersatzstrom. Und nein, wenn ein Fördergut auf der Förderstrecke liegt und deswegen
    im Weg ist, um das Tor zu schließen, muss dieses aus dem Schließbereich herausgefördert werden. Bei Groß-
    anlagen schaltet sich im Brandfall der Gesamtstrom aus, weil irgendwo bereits Sprinkleranlagen angegangen sind. Und dann springt kurzzeitig über Batterien die Ersatzstromversorgung von uns an und setzt das kleine Stückchen zum Freifahren in Bewegung, sodass das liegengebliebene Fördergut aus dem Schließbereich herauskommt und wir das Tor schließen können. Die Tore bei STÖBICH schließen eigentlich mit ein paar wenigen
    Ausnahmen fast immer nicht-motorisch, sondern über Gravigen, d. h. über gespeicherte mechanische Energie,
    mit Hilfe der Gravitationskraft.

    Okay, aber bei den horizontal schließenden Systemen wie dem Fibershield®-HC braucht man im Alarmfall ja Strom, liefern den Ihre Systeme auch?
    T. W.: Ja, genau. Aber tatsächlich werden u. a. die horizontalen Systeme nicht immer mit unserem eigenen Er-
    satzstrom geschlossen, sondern durchaus auch mit der USV [= unterbrechungsfreien Stromversorgung, Anm. d.
    Red.] o. a. Das ist bei Förderanlagensystemen eher selten, kommt aber z. B. an den Flughäfen vor, die eine kom-
    plette eigene Ersatzstromversorgung haben. Dort fahren große Diesel mit eigenem Ersatzstrom an, damit alles
    weitergeht. Aber bei normalen Anlagen, also selbst bei großen Herstellern der Automobilbranche, gibt es häufig
    keinen eigenen Notersatzstrom. Dafür gibt‘s dann eine Batterieanlage von STÖBICH, die bei uns konstruiert und
    teilweise auch produziert wurde.

    Die Protronic ist ja in Pausitz angesiedelt, nicht weit von Leipzig. Zur Protronic Erfolgsgeschichte haben Sie uns ja einen Artikel geliefert, wo man alles noch mal genau nachlesen kann (siehe unten). Dort erwähnen Sie, dass das Unternehmen noch erweitert werden soll. Wie ist da der aktuelle Stand?
    T. W.: Die Baumaßnahmen haben noch nicht begonnen, aber die Planung geht voran. Wir möchten vor allem unsere Produktionsräume erweitern und eine komplette Fertigungshalle anbauen, etwa jeweils 250 Quadratmeter über zwei Etagen; davon die gesamte untere Etage für SMD- und THT-Bestückung. THT be-
    deutet Handbestückung, also die größeren Bauteile, die nicht mit Automaten bestückt werden können, z. B.
    Trafos, größere Relais etc. Die ganzen kleinen Teile, die man auf den Leiterplatten sieht, werden im Allgemeinen
    mit dem Automaten bestückt. Hier wollen wir eine völlig neue Linie aufbauen und nur Teile unserer bisherigen
    SMD-Bestückung weiter nutzen. Mit einem neuen Bestückungsautomaten schaffen wir in Zukunft eine wesentlich höhere Bestückungskapazität. Momentan kommen wir mit unseren Aufträgen noch gut klar, aber wir kalkulieren das zukünftige Wachstum schon mit ein. Wir warten derzeit noch auf Entscheidungen im Bauantrag, und wenn diese durch sind, können wir anfangen zu bauen.

    Bei Ihnen wird also automatisiert produziert, wenn die kleinen Platinen mit Verbindungen bestückt werden, aber einiges ist noch von Hand zu machen, also eine Mischung aus Vollautomation und Manufaktur, ja?
    T. W.: Die größeren Bauteile werden bei allen Herstellern von Hand montiert, also auch in China. Bei den Millionen Stückzahlen geht das nicht, deswegen sehen Sie in einem Handy keine größeren Bauteile mehr [lacht]. Da ist alles so miniaturisiert, dass wirklich alles mit der Maschine gemacht werden kann. Aber in unserer Leistungselektronik mit Transformator, Netzteilen mit größeren Klemmen drauf, ist Steckmontage von Hand notwendig. Und alles andere, was auf der Oberfläche bestückt ist – SMD [= Surface-mount devices, Anm. d. Red.] – erfolgt seit 2014 bei uns mit dem Vollautomaten.

    Wie sieht es bei Ihnen mit Produktentwicklungen aus? Steht da irgendwas Neues an, z. B. zum Thema Steuerung 2025, einem Gemeinschaftsprojekt von STÖBICH und Protronic?
    T. W.: Unser Entwicklungsteam ist recht groß und macht etwa ein Viertel unserer Belegschaft bei Protronic aus. Wir waren schon immer ein sehr entwicklungslastiges Unternehmen und sind vor allem Entwicklungsingenieure aus der Elektronik, von der Platinenentwicklung bis zur Schaltungsentwicklung und zur Programmierung. Das heißt also, wir programmieren auch die Programme in Embedded Systems, bei denen mit einem einzelnen
    Controller und vielen kleinen Peripherien ein Gesamtsystem entwickelt wird, ohne Nutzung eines Standard-PCs.
    Also eigentlich ein Rechner, nur auf viel kleinerer Ebene. Hier arbeiten wir im Moment intensiv an der neuen Generation der Steuerung, der Steuerung 2025. Dazu gibt es ein Förderprojekt bei STÖBICH, bei dem wir wiederum die Feststellanlage, also Steuerung, selbst entwickeln. Unsere letzte Steuerungsentwicklung, die RZ7, war bereits ein Bussystem (1.), das komplett vernetzt ist.

    Welchen Hintergrund hat das Projekt und was sind die Entwicklungsziele?
    T. W.: Die reine Funktionalität für ein Tor oder ein Förderanlagenabschluss ändert sich nicht so wesentlich,
    dementsprechend wird sich auch die Steuerung im Kern nicht ändern. Unterschiede sind insbesondere für die
    Montage und für die Inbetriebnahme geplant: Der Aufbau der Steuerung soll wesentlich modularer sein, mit
    einzelnen Modulen, die dann in den Schaltschrank eingebaut werden können, ohne dass man diesen dafür extra bearbeiten muss. Es sind also Gehäuse, die direkt die Steuerung beinhalten und so den Einbau und Austausch
    vereinfachen.
    Auch die Inbetriebnahme soll einfacher werden, indem wir die vollständige Ausstattung und Programmierung in der Werkstatt vornehmen und nur noch geringe Teile vor Ort programmiert werden müssen. Die Busse sind weiterhin vernetzte Systeme, die vor Ort in Betrieb genommen werden können. Einen sehr großen Anteil in der Neuentwicklung machen völlig neue Oberflächen zum Parametrieren und Inbetriebnehmen aus: Man wird über einen Laptop, Smart PC oder Tablet in der Lage sein, Module zueinander zu schieben und dann eben sehr einfach eine Freifahreinrichtung programmieren können, die Zeiten dafür einzustellen, Lichtschranken in Betrieb nehmen etc.
    Das dritte wichtige Glied neben Hard- und Software ist die IoT [= Internet of Things, Anm. d. Red.], das heißt die Anbindung an das Internet, also Fernzugriffe auf die Systeme. Der Monteur an der Anlage bekommt zukünftig einen Vorschlag für die Programmierung und kann die Neuanlage in wenigen Schritten parametrieren. Gleichzeitig wollen wir sämtliche Parameter, die es gibt, bei uns auf den Servern speichern, damit wir bei einem Systemausfall oder Austausch in der Lage sind, sie so wie sie vorher waren, schnell, wieder einspielen können. Und es gibt den Zugriff von außen bei Problemen oder auch bei der monatlichen Überprüfung und jährlichen Wartung, inklusive automatischer Dokumentation. So kann der Kunde auch seiner Pflicht leichter nachkommen, seine Anlagen regelmäßig überprüfen zu lassen.

    Danke für die ausführliche Erklärung. Noch mal mit Blick auf die Zukunftspläne gefragt: Wie wird sich Künstliche
    Intelligenz auf Ihren Aufgabenbereich auswirken, ist das schon Thema?

    T. W.: Ja, sicherlich wird die KI in irgendeiner Form auch für die neuen Systeme zum Tragen kommen. Das heißt
    also, die Daten, die wir dann von den einzelnen Anlagen sammeln und zentral ablegen, können mit KI bearbeitet werden und relevante Fragen beantworten: Welche Ereignisse sind besonders häufig, an welchen Stellen gehen häufiger Anlagen kaputt usw. Daraus dann Vorschläge zu generieren, wie die Anlage parametriert werden kann, das könnte man schon in Richtung Künstlicher Intelligenz deuten.

    Wie bilden Sie sich in dieser Richtung weiter? Gibt es z. B. Kooperationen mit Wissenschaft und Forschung?
    T. W.: Wir arbeiten sehr gut mit verschiedenen Hochschulen zusammen und sind Praxispartner mit eigener Aus-
    bildung an der Hochschule Leipzig (HTWK = Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig, Anm. d. Red.].
    Das heißt, wir bieten ein duales Studium für Kommunikationselektroniker an, insbesondere im Bereich der Bachelorausbildung mit der Möglichkeit zum Master. Im Moment haben wir einen Studenten bei uns und sind
    guter Dinge, dass er seinen Bachelor schafft [lacht]. Es ist tatsächlich ein schwieriges Studium. Heutzutage sind die Anforderungen, gerade in der Elektrotechnik, sehr hoch. Was Mathematik und Physik angeht, ist das Grundstudium nicht so einfach zu bewältigen.

    Spannend. Bietet Protronic auch Möglichkeiten für Arbeitnehmer, also Nicht-Studenten?
    T. W.: Ja, es besteht eine sehr gute Zusammenarbeit mit verschiedenen Firmen hier im Umkreis, die Weiterbildungen und Wiedereingliederung ins Berufsleben anbieten. Bei uns sind ja die meisten Arbeitsplätze rein sitzende Tätigkeiten, was natürlich ideal ist für Leute, die sich aus gesundheitlichen Gründen umorientieren müssen und dann bei uns wieder eine vernünftige Arbeit finden. Sie starten bei uns mit einem Praktikum und kommen meistens aus völlig anderen Berufszweigen. Auf diesem Weg haben wir bereits sehr motivierte Mitarbeiter gewonnen.

    Das ist ja schön. Das sind erstmal ganz gute Aussichten für die Zukunft, wo sich doch viele Unternehmen mit dem Thema Arbeits- und Fachkräftemangel herumplagen.
    T. W.: Das ist eine wichtige Sache, für die Zukunft immer wieder Leute zu gewinnen, auch durch Förderprojekte,
    die wir gemeinsam mit verschiedenen Universitäten und Fraunhofer Instituten durchführen: Entwicklungsprojekte im Medizintechnikbereich und im Bereich der Steuerungstechnik. Es werden im Moment neue Motorsteuerungen bei uns entwickelt, und wir haben sehr viele neue Entwicklungen im Bereich der Vernetzung über Bluetooth von mehreren kleinen Systemen untereinander. Wir haben Entwicklungen im Bereich einer Steuerung für Peltier-Kühlsysteme (2.) Außerdem arbeiten wir sehr eng mit Planern für Krankenhäuser als Start-up der Elektrotechnik zusammen und haben hier eine Steuerung für Beleuchtungssysteme in Krankenhäusern entwickelt. Es gibt also viele Felder, auf denen wir auch mit Universitäten sehr eng zusammenarbeiten. Und wir profitieren davon, wenn der eine oder andere seine Bachelor- oder Master-Arbeit bei uns schreibt und dann bei uns bleibt. Das wäre Ihnen zu wünschen. Herzlichen Dank für Ihre Zeit und das interessante Gespräch!

    1. Ein Bus (Binary Unit System) stellt die Verbindung zwischen verschiedenen Teilnehmern bzw. Komponenten in einem elektronischen System her und ermöglicht somit den einheitlichen Austausch von Daten. Quelle: Was ist Bus (Elektrotechnik)? Binary Unit System – schnell erklärt (heinen-elektronik.de), Abrufdatum: 13.06.2024
    2. Der sogenannte Peltier-Effekt wurde 1834 von dem Physiker Jean Peltier entdeckt, der erstmals Kälte mit elektrischem Strom erzeugte. Dabei wird durch das Anlegen einer Gleichspannung an unterschiedlich dotierte Halbleiter ein Wärmetransport von der negativ geladenen Seite zur positiv geladenen Seite ausgelöst. Quelle: Peltier Kühltechnik | Kälte mit elektrischem Strom — Industrie Heizer & Kühler – DBK Industrial | Deutschland (dbk-group.com), Abrufdatum: 13.06.2024

    Die Muster-Verwaltungsvorschrift "Technische Baubestimmung" (MVV TB) legt folgendes fest: 

    „Die Feststellanlage ist ein System, bestehend aus Geräten und/oder Gerätekombinationen, das geeignet ist, die Funktion von Schließmitteln kontrolliert unwirksam zu machen. Beim Ansprechen der zugehörigen Auslösevorrichtung im Fall eines Brandes, einer Störung oder durch Handauslösung werden offen gehaltene Abschlüsse unmittelbar sicher zum Schließen freigegeben."

    Abschnitt 8.3
    Türen und Tore (DGUV Information 208-022): 

    Bei Brandschutztoren, die im Alarmfall mit einem mechanischen Kraftspeicher (beispielsweise Schwerkraft) ohne Kraftbegrenzung schließen, ist ein akustisches Signal vorgeschrieben (DIN EN 12604 „Tore – Mechanische Aspekte – Anforderungen“).

    DGUV Information 208-022, Stand 2017

    MVV TB vom 17.01.2022, Ausgabe 2021/1, Punkt 5.1.6.6.: 

    "Schiebe-, Hub- und Rollabschlüsse sind mit einer
    audiovisuellen Warnanlage auszurüsten, die das Schließen ankündigt."

    Neue Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) 2022

    laut DIN EN 12604 Tore - Mechanische Aspekte - Fassung
    EN 12604:2017 darf

    bei Toren, welche ausschließlich durch Schwerkraft geschlossen werden,

     - darf die Betriebsgeschwindigkeit von 0,3m/s nicht überschritten werden
     - bzw. darf die Krafteinwirkung 200N nicht übersteigen.


    Ist dies nicht möglich, muss am Tor eine audiovisuelle Warneinrichtung
    angebracht werden, die einsetzt, wenn das Tor beginnt sich zu
    schließen.

    Das Schließen einer Tür, eines Tores oder Brandschutz- bzw. Rauchvorhanges, welcher oben genannte Anforderungen überschreitet, muss also optisch und akustisch signalisiert werden.

    Dies gilt natürlich auch für das Schließen bei Stromausfall.



    According to the MVV TB: 

    „A hold-open device is a system of devices or device combinations suitable for the controlled disabling of the function of closing devices."